Prozessintegrierte Messtechnik

Anpassung der Messung an die prozessintegrierte Messtechnik

Metrology News sprach kürzlich mit Dr. Heiko Wenzel-Schinzer, CDO (Chief Data Officer) der WENZEL-Gruppe, über seine Ansichten zur zukünftigen Rolle der dimensionalen Messung in der neuen Ära der intelligenten Fertigung und darüber, wie die prozessintegrierte Messtechnik und ihre Herausforderungen sowohl aus der Sicht der Zulieferer als auch der Anwender gesehen werden.

F: Welche Trends sehen Sie derzeit in der Qualitätssicherung?

A: Ich sehe einen deutlichen Wandel in vielen Branchen, der sich aus den großen Technologietrends Industrie 4.0, Internet der Dinge und dem Wandel zur E-Mobilität ergibt, aber auch aus den inzwischen sehr schnell wachsenden Problemen mit dem Fachkräftemangel in vielen Unternehmen. Die technischen Neuerungen führen zu einer deutlichen Veränderung der zu messenden Teile, der Messaufgaben, aber auch des Ortes der Messung. Der Mangel an personellen Ressourcen stellt weitere Anforderungen an die Nutzbarkeit der Messlösungen.

F: Die Qualitätssicherung wird immer mehr zu einer direkten Produktionsfunktion. Wie wirkt sich dies auf die traditionellen Dimensionsprüfgeräte aus?

A: In der Produktion haben wir es mit unterschiedlichen Umgebungsbedingungen in Bezug auf Temperatur, Luftreinheit, Vibrationen usw. zu tun. Die Messtechnik muss sich hier anpassen; sie muss robuster gegenüber äußeren Einflüssen sein und diese besser analysieren und kompensieren. Natürlich kann man in der Produktion traditionell arbeiten, indem man hier spezielle Einhausungen und Messräume einsetzt, aber der Platz in der Produktion ist noch kostbarer als anderswo im Unternehmen, so dass dies auf Dauer keine Option ist. Aber die Erwartungen an die Geschwindigkeit und Qualität der Messergebnisse werden immer höher, so dass dies eine wirklich spannende Herausforderung für uns alle ist.

F: Wie verändert der Standort der Messtechnik den Fokus eines Ausrüstungslieferanten?

A: Aus Sicht des Kunden sind die Anforderungen an den Messtechniklieferanten recht einfach: exakt wie im Messraum, klein im Platzbedarf, robust in der Anwendung und schnell in der Messung und Auswertung. Für uns heißt das: Innovativer Maschinenbau mit belastbaren Werkstoffen, Ausstattung unserer Maschinen mit Sensoren und cyber-physischen Systemen zur direkten Rückkopplung der Messung auf die aktuelle Umgebung, schnelle Messzeiten durch Scanning, 5-Achs-Messköpfe und optische Sensoren und extremer Fokus auf einfache Bedienbarkeit von Hard- und Software.

F: Was sind die wichtigsten Veränderungen, die Sie als Zulieferer mit sich bringen?

A: Ich sehe die folgenden fünf Hauptveränderungen:

- Der Ort der Messung verändert den Fokus

Wenn wir die Messtechnik im Messraum einsetzen, geht es in erster Linie um die Überprüfung der Abweichung der Ist-Werte von den Soll-Werten. Letztlich ist das eine Frage der absoluten Genauigkeit: Sind wir innerhalb der Toleranz oder nicht? Wenn die Messtechnik aber direkt in der Produktion installiert ist, dann wollen wir in erster Linie die Prozesssicherheit unserer Produktion sicherstellen. Letztlich geht es also um die Wiederholbarkeit unserer Produktion, oder müssen wir an den Bearbeitungsmaschinen etwas nachjustieren, weil sich unsere Ergebnisse mit der Zeit unerwünscht verändern.

- Die Dauer der Messung ist kürzer

Wenn wir den Ort der Messung in die Produktion verlegen, dann müssen wir uns an den Takt in der Produktion anpassen und haben daher weniger Zeit für die einzelne Messung, zumal oft größere Stichproben oder sogar eine 100%-Kontrolle durchgeführt werden sollen. Schneller messen - dafür brauchen wir schnellere Messsysteme wie optische Sensoren oder den schnellen, taktilen 5-Achsen-Messkopf wie den Renishaw Revo.

- Menge der gemessenen Daten steigt erheblich

Traditionell haben wir schon vor Beginn einer Messung sehr genau geschaut, welche Merkmale und Elemente zur Sicherung der Produktionsqualität wirklich gemessen werden müssen. Diese Punkte haben wir angefasst und ausgewertet; das Ergebnis war eine überschaubare Menge an Messpunkten und eine klar fokussierte Auswertung mit einem Messbericht.

Durch Hochgeschwindigkeitsscannen und optische Messungen können wir sehr schnell große Datenmengen erfassen. Das hilft uns, mit der Zykluszeit der Produktion Schritt zu halten, aber wir müssen diese Daten auch mit dem abgleichen, was zur Steuerung des Prozesses benötigt wird. Andernfalls sind die Daten vergeudet. Hier kann die Zusammenarbeit mit dem Kunden zu sehr innovativen Lösungen für die Datenverarbeitung führen.

- Die Datenqualität steigt enorm

Die eben beschriebene Datenmenge eröffnet natürlich auch neue Möglichkeiten der Auswertung. Zunächst einmal hat die Art und Weise der Datenerfassung Vorteile für die Qualität der Daten. Wir gehen nicht nur einzelne Punkte an, sondern erfassen auch Flächen, erkennen Merkmale und Kanten und haben so einen viel breiteren Blick auf das Messobjekt als bisher. Bei Anomalien können wir in die Nachbarschaft der eigentlich relevanten Messpunkte gehen und weitere Dinge überprüfen; hier bietet die Punktwolke einen enormen Mehrwert.

- Deutlicher Zuwachs bei den Datenanalysetechniken

Eine der technischen Neuerungen, die auch die Messtechnik maßgeblich beeinflusst, ist das Data Mining, das maschinelle Lernen, zahlreiche Methoden der sogenannten künstlichen Intelligenz. War es früher Sache des Anwenders, relevante Zusammenhänge und Muster zu erkennen, können uns diese Methoden auf neue Sachverhalte aufmerksam machen, sie visualisieren und so zum Gegenstand unserer Analysen machen. Ich glaube, dass diese Techniken uns sehr stark unterstützen können: nicht mehr, aber auch nicht weniger.

F: Die Gerätehersteller haben sich in der Vergangenheit verständlicherweise mehr auf die Funktionalität und weniger auf die Benutzerfreundlichkeit konzentriert. Wie wird sich dies Ihrer Meinung nach in Zukunft ändern?

A: Die neue Anforderung an die Benutzerfreundlichkeit von Software ist es, umfangreiche und komplexe Funktionen einfach zu bedienen.  Zu Beginn haben wir bereits über den Mangel an Fachkräften gesprochen. Wenn sich die Messtechnik in die Produktion verlagert, finden wir dort Anwender, deren Job eigentlich etwas anderes ist als das Messen. Diese Leute bekommen nun die zusätzliche Aufgabe: "Lege das Teil auf die Messmaschine und schau, was herauskommt". Und genau das muss die Software unterstützen. Die schnelle Bedienung für Nicht-Messexperten, die am Ende "nur" ein Ok / nicht Ok Ergebnis sehen wollen. Aber auch die "Experten" erwarten mehr und sind einfach zu bedienende Apps auf ihren Smartphones aus dem privaten Bereich gewohnt.

F: Wie sehen Sie die Automatisierung in der Anlagenprogrammierung, die die Integration der Anlagen und ihre laufende Anpassung an Änderungen der Produktionsteile vereinfacht?

A: Ich sehe den Trend und verstehe auch, warum er sinnvoll ist. In vielen Branchen arbeiten wir mit weniger Mitarbeitern an schnell wechselnden Teilen. Die Zeiten, in denen wir viele Jahre lang das gleiche Teil produzieren konnten, sind in vielen Branchen vorbei. Da müssen sich automatisierte Fertigungszellen schnell anpassen, ohne viel Umprogrammierung und Einrichtungszeit. Für mich ist das aber eine logische Konsequenz unserer Industrie 4.0-Transformation. Mehr Individualität und schneller Wandel, und das auch noch mit weniger Personal, weil es einfach nicht vorhanden ist. Das ist eine Herausforderung für uns alle, aber eine erfolgreiche Umsetzung sichert unsere industrielle Zukunft und damit unsere Unternehmen.

F: Wie und von wem werden die generierten Daten in den Fabriken der Zukunft genutzt?

A: Ich glaube, dass wir mit dem Metrology Data Scientist ein neues Berufsbild sehen werden.

F: Wie sieht Ihrer Meinung nach der zukünftige Fahrplan für die Metrologie aus?

A: Genauigkeit und Geschwindigkeit sind derzeit die Hauptanforderungen vieler Kunden an die Messtechnik. Die Wiederverwendbarkeit der alten Programme ist ebenfalls eine sehr oft geforderte Nebenbedingung. Aus meiner Sicht beginnt Geschwindigkeit heute mit der Konstruktion, mit Hilfe von PMI schnell einen Prüfplan aus dem Konstruktionsmodell zu generieren und dann ein passendes Messprogramm; auf dem Stand der Technik mit allen verfügbaren Sensoren und zusammen mit der Expertise von geschulten Anwendern an wenigen zentralen Stellen. Diese Programme werden dann auf Messgeräte übertragen, die von "Nicht-Messtechnik-Experten" mit sehr einfachen Anwendungen bedient oder sogar vollautomatisch integriert werden können, die Daten werden dann vom Metrology Data Scientist verwaltet, um eine effiziente Prozesssteuerung zu gewährleisten.

Die unternehmensweite Zentralisierung des messtechnischen Know-hows sorgt für eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse, unabhängig von der eingesetzten Maschinen- oder Sensortechnik, und schafft so mehr Unabhängigkeit von einem bestimmten Anbieter und Raum für innovative Lösungen.

"Auch in der Messtechnik frisst nicht das Große das Kleine, sondern das Innovative das Langsame."

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